Im internationalen Geschäft kommt es mitunter zu merkwürdigen Vertragskonstruktionen und zu seltsamen Konstellationen hinsichtlich der zuständigen Gerichte.
In einem ursprünglich vom Landgericht Kiel, und nunmehr in dritter Instanz vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um einen chinesischen Produzenten von medizinischen Röntgenröhren, der diese an einen Händler in Deutschland verkaufte. Zwischen den Parteien gab es langjährige Vertragsbeziehungen, entsprechend freundlich und teilweise auch laienhaft waren die Lieferbedingungen formuliert.

Jeweiliger Heimatgerichtsstand für Passivprozesse

Eindeutig formuliert jedoch war in dem Vertrag eine Regelung hinsichtlich des zuständigen Gerichtsstandes. Beide Parteien sollten ihre Rechte jeweils am Heimatgerichtsstand der jeweils anderen Partei einklagen müssen. Sollte also der chinesische Produzent irgendwelche Ansprüche gegen den deutschen Händler geltend machen wollen, so sollte der Gerichtsstand Kiel gelten, im umgekehrten Falle ein Gerichtsstand in China. Probleme hinsichtlich des anwendbaren Rechtes gab es nicht, da zwischen den Parteien UN-Kaufrecht vereinbart wurde und beide Länder zu den CISG-Vertragsstaaten zählen.

Aufrechnung und Minderung nur eine Sache für chinesische Gerichte?

Als es nun zu Auseinandersetzungen um die Qualität der Röhren kam, wollten die Chinesen ihre Zahlungsansprüche gemäß der vertraglichen Vereinbarung in Deutschland geltend machen. Der deutsche Partner wehrte sich dagegen mit Aufrechnung, Zurückbehaltungsrechten und der Einwendung eines geminderten Kaufpreises.
Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Schleswig, hatte dem chinesischen Kläger noch in vollem Umfang Recht gegeben, weil es meinte, nur über die ursprüngliche Kaufpreisforderung als solche entscheiden zu dürfen. Aus der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien ergebe sich nämlich, dass Gegenansprüche der deutschen Partei ausschließlich vor einem chinesischen Gericht geltend gemacht werden müssten, und daher nicht in den deutschen Prozess eingeführt werden dürften.

Unterscheidung zwischen selbständigen und unselbständigen Gegenansprüchen

Der Bundesgerichtshof hat dies nur zum Teil bestätigt. Grundsätzlich sei es zwar durchaus möglich, zu vereinbaren, dass die jeweiligen Forderungen gegen die andere Partei vor unterschiedlichen Gerichten eingeklagt werden müssten. Dies entspreche durchaus auch oft dem Interesse der Geschäftspartner im internationalen Verkehr. Hierauf jedoch könne sich der chinesische Vertragspartner nur bezüglich der erfolgten Aufrechnung berufen, denn nur die Aufrechnung beruhe auf einem an sich selbstständigen Gegenanspruch. Ein Zurückbehaltungsrecht jedoch und auch ein Recht zur Minderung des Kaufpreises seien jedoch keine eigenständigen Gegenansprüche, sondern lediglich Einwendungen, die unmittelbar die Höhe der Kaufpreisforderung oder zumindest deren Fälligkeit berührten.

Der Rechtsstreit wurde folglich zur Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, damit dieses sich erstmalig mit der Frage der Minderung des Kaufpreises aneinander setzen konnte.

Bedeutung für die internationale Vertragsgestaltung

Zwar mag es durchaus nachvollziehbar sein, wenn jeder Vertragspartner dem anderen das Privileg einräumt, sich mit gegnerischen Forderungen nur im eigenen Land konfrontiert sehen zu müssen, dennoch führen solche unterschiedlichen Gerichtsstände zu langwierigen Prozessen, die möglicherweise zu divergierenden Entscheidungen angesichts völlig unterschiedlicher Rechtsauffassungen in völlig unterschiedlichen Ländern führen können. Eine genaue Abwägung der Vor- und Nachteile, aber auch insbesondere eine genaue vertragliche Formulierung dessen, was von einer solchen Vereinbarung umfasst sein soll, sind daher unerlässlich.

BGH, Az. VIII ZR 352/13, Urteil vom 21.01.2015

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