Die rechtlichen Vertragsgestaltungen und Beziehungen im Bereich des Vertriebs von Waren sind sehr vielgestaltig. Im Handelsgesetzbuch finden sich Handelsvertreter und Kommissionsagenten, rechtliche Grundsätze für den Vertragshändler und den Franchisenehmer hat die Rechtsprechung im Laufe der Jahre und Jahrzehnte geschaffen. Oftmals jedoch machen sich die Beteiligten bei Vertragsschluss gar keine Gedanken darüber, wie ein Vertragsverhältnis einzuordnen ist. Sie regeln in ihrem Vertrag die Rechte und Pflichten, im Falle einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung allerdings kann sich das schwer rächen. Dann nämlich muss ein Gericht beurteilen, wie das Vertragsverhältnis einzuordnen ist, und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Selbständiger Marktleiter mit Provisionsanspruch
Dem Oberlandesgericht Oldenburg lag der Fall eines Sonderpreismarktes vor. Der konkrete Marktleiter sollte gemäß seinem Vertrag mit dem ihn mit Waren beliefernden Unternehmen selbstständig tätig sein, er sollte eigenständig die Produkte an die Kunden verkaufen, musste die Einnahmen jedoch unmittelbar abführen und erhielt dafür eine Provision.
Als das Vertragsverhältnis endete, wollte der betreffende Marktleiter einen Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend machen und meinte, es handele sich bei dem Vertrag um ein Handelsvertreterverhältnis. Schließlich habe er für fremde Rechnung und im fremden Namen die Artikel verkauft.
Kommissionsagent als Verkäufer im eigenen Namen für fremde Rechnung
Das Gericht hat anhand vieler Details untersucht, ob der Marktleiter denn nun im eigenen Namen die Produkte verkaufte, oder stellvertretend für das Unternehmen. Hierzu gab es viele widersprüchliche Indizien, entscheidend war für das Gericht jedoch, dass außen am Geschäft deutlich der Name des Marktleiters als Inhaber angebracht war, und dass gegenüber den Kunden unmissverständlich der Eindruck entstehen musste, dass der Marktleiter auch der Verkäufer der Produkte sei.
Wer allerdings im eigenen Namen, jedoch „für fremde Rechnung“ Waren verkauft, ist kein Handelsvertreter, sondern ein Kommissionär oder ein Kommissionsagent.
Handelsvertreterausgleichsanspruch auch für Kommissionsagenten
Das half dem Unternehmen jedoch nicht weiter. Denn obwohl es keinen direkten Handelsvertreterausgleichsanspruch gab, hat das Gericht entschieden, dass die Vorschriften über den Handelsvertreterausgleichsanspruch analog auf das Kommissionsagenturverhältnis anwendbar sein können. Auch der konkrete Kommissionsagent sei wie ein Handelsvertreter in das Absatzsystem des Unternehmens eingegliedert gewesen und musste dem Unternehmen faktisch nach Vertragsbeendigung den Kundenstamm überlassen, denn schließlich hatte das Unternehmen Zugang zum gesamten Kassensystem. Aufgrund einer analogen Anwendung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs erhielt der Marktleiter also den entsprechenden Ausgleich für den von ihm aufgebauten Kundenstamm.
Ausgleichsanspruch als Ausgleich für erfolgreiche Akquise
Es ist immer wieder spannend, in welchen Fällen die Gerichte einen Ausgleichsanspruch ablehnen und in welchen nicht. Während der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr für fast alle Franchisenehmer den Ausgleichsanspruch faktisch abgelehnt hat, deutet die vorliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg eher wieder in eine andere Richtung, welche in stärkerem Maße die Akquisetätigkeiten des Vertriebsmittlers honoriert.