Im Versicherungsrecht geht es immer wieder um den Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsfall eingetreten sein soll. Nur wenn schon zu diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz bestand, muss der entsprechende Versicherer den Schaden übernehmen. Besonders komplex ist diese Fragestellung meist im Rahmen der Rechtsschutzversicherung, aber auch die Wohngebäudeversicherung bietet mancherlei Streitpunkte.

So stellte sich immer wieder die Frage, welcher Zeitpunkt im Hinblick auf einen eigentlich unter den Versicherungsschutz fallenden Leitungswasserschaden als Eintritt des Versicherungsfalls anzusehen ist.

Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalls

Grundsätzlich besteht im Versicherungsrecht eher die Tendenz dahingehend, dass ein Versicherungsfall dann eintritt, wenn erstmalig irgendetwas irreguläres passiert. Bei der Rechtsschutzversicherung liegt ein Versicherungsfall vor, wenn erstmalig irgendjemand gegen irgendwelche Rechtspflichten verstößt, oder ein solcher Verstoß von der anderen Seite behauptet wird. Nahe liegender Weise müsste dann der Versicherungsfall im Fall eines Leitungswasserschadens eintreten, sobald der erste Tropfen sich hinter der Wand aus einem Leitungsrohr entfernt, weil dieses möglicherweise gebrochen oder porös geworden ist.

„Theorie des ersten Tropfens“ in der Gebäudeversicherung

Dies führt gerade jedoch bei Leitungswasserschäden zu unüberwindbaren Problemen. Gerade wenn es um poröse Wasserleitungen geht, kommt es vor, dass sich die Auswirkungen des Wasseraustritts erst sehr lange nach diesem so genannten ersten Tropfen zeigen. Dann kann nach Herzenslust darüber gestritten werden, wann denn möglicherweise der erste Tropfen aus der Leitung ausgetreten ist, und ob zu diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz bestand.

„Theorie des letzten Tropfens“

Nachdem dies verschiedene deutsche Oberlandesgericht so gesehen hatten („Theorie des ersten Tropfens“), hat nun das Oberlandesgericht Hamm in einer aktuellen Entscheidung die „Theorie des letzten Tropfens“ vertreten. Der Versicherungsfall soll nach dieser Entscheidung dann eingetreten sein, wenn der Schaden erstmalig bemerkt wird, sozusagen unmittelbar nach dem letzten noch unbemerkten Tropfen.

Diese Entscheidung dürfte zwar gegen die sonst im Versicherungsrecht angewandten Prinzipien verstoßen, jedoch dem Bedürfnis der Praxis entsprechen. Denn schließlich soll durch die Regelung, dass Versicherungsschutz nur für die Schäden besteht, die zu einem Zeitpunkt eingetreten sind, als bereits Versicherungsschutz bestand, verhindert werden, dass nach dem Eintritt von Versicherungsfällen noch schnell irgendwelche Versicherungen abgeschlossen werden.

Praxisnähe und dennoch keine Katastrophe für Versicherer

Dieses Problem kann rein logisch natürlich nicht auftreten, wenn als Versicherungsfall derjenige Zeitpunkt betrachtet wird, zu dem der Schaden erstmalig bemerkt wird. Auch besteht keine Gefahr, demjenigen Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gewähren zu müssen, der zwar zu einem versicherten Zeitpunkt den ersten Tropfen bemerkt, jedoch aufgrund anderweitiger Kenntnisse

bereits von dem Wasserschaden wusste. Hier liegt dann zwar trotzdem der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum, der Versicherungsschutz würde ihm jedoch dennoch versagt werden, weil der Versicherungsnehmer dem Versicherer arglistig Vorschäden verschwiegen hätte.

Somit kommt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm der Praktikabilität bei der Abwicklung von Versicherungsschäden im Bereich Leitungswasser entgegen, die Versicherer jedoch brauchen ebenfalls keine Angst vor der Übernahme nicht gedeckter Versicherungsfälle zu haben.

BGH-Entscheidung steht noch aus

Es bleibt abzuwarten, ob angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechungen der verschiedenen Oberlandesgerichte demnächst dann eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs endgültige Gewissheit bringen wird.

OLG Hamm, Az. I-20 W 19/15, Beschluss vom 20.07.2015

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