Die grundlegende Struktur einer D&O Versicherung weicht in wesentlichen grundsätzlichen Grundsätzen in erheblichem Maße von dem ab, was sonst das deutsche Versicherungsrecht ausmacht. Hauptunterschied ist das so genannte „claims made“-Prinzip. Während es im sonstigen Versicherungsrecht hinsichtlich der Frage, ob zum entscheidenden Zeitpunkt Versicherungsschutz besteht oder nicht, darauf ankommt, wann  der einen Versicherungsfall auslösende Sachverhalt stattgefunden hat, so kommt es bei der D&O Versicherung auf denjenigen Zeitpunkt an, zu dem irgendjemand erstmals von dem Versicherten Schadensersatz begehrt. Dieser Zeitpunkt liegt häufig viele Jahre nach dem Ereignis, in dem der mögliche Rechtsverstoß begangen wurde. Das bedeutet zunächst, dass sich Vorstände oder Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft niemals in Sicherheit wiegen können, nur weil während ihrer Tätigkeit für das betreffende Unternehmen stets eine D&O Versicherung unterhalten wurde. Wird nämlich diese Versicherung später einmal, insbesondere nach dem Ausscheiden des jeweiligen Geschäftsführers, gekündigt, und kommt es danach zu einer Klage wegen eines früheren Fehlverhaltens, so scheint der betreffende Geschäftsführer ohne Versicherungsschutz dazustehen.

D&O: Nachmeldefrist aus Ausgleich für das „claims made“-Prinzip

Um dieses Problem ein wenig abzumildern, gibt es in den meisten D&O Versicherungsverträgen eine so genannte Nachmeldefrist, innerhalb derer nach Vertragsbeendigung für älteres Fehlverhalten trotz Ablauf des Versicherungsfalles noch Versicherungsschutz gewährt wird. Nur so kann das oben umrissene Problem umgangen werden. Dies gilt umso mehr, als die Versicherung zwar zu Gunsten der jeweiligen Geschäftsführer abgeschlossen wird, jedoch nicht von ihnen selbst als Versicherungsnehmer, sondern von dem betreffenden Unternehmen, welches also ohne Einflussmöglichkeit des Geschäftsführers diesen Vertrag später kündigen kann.

Selektiver Ausschluss der Nachmeldemöglichkeit durch die Versicherungsbedingungen

Enthalten zwar die Mehrzahl der D&O Policen solche Nachmeldefristen, so wird dennoch immer wieder versucht, diesen nachträglichen Versicherungsschutz durch entsprechende Klauseln einzuschränken. So auch in einem Fall, der einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zu Grunde lag.

Dort war für den Fall der Insolvenz des Unternehmens die Nachmeldefrist ausdrücklich ausgeschlossen worden. Das Unternehmen meldete tatsächlich Insolvenz an, der Geschäftsführer schied aus, und erst im Nachgang kam es dann zu einer entsprechenden Klage wegen eines Fehlverhaltens des ehemaligen Geschäftsführers, für die der D&O Versicherer dann keinen Deckungsschutz mehr gewähren wollte.

Vollständiger Ausschluss der Nachmeldefrist in D&O Policen unwirksam

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass der vollständige Ausschluss einer Nachmeldefrist für den Fall der Insolvenz die versicherte Person, hier also den Geschäftsführer, unangemessen benachteilige, und daher unwirksam sei. Eine Nachmeldung sei also möglich gewesen, so dass die Versicherung vorliegend einzutreten habe.

Die Entscheidung führt in besonders anschaulicher Weise vor Augen, mit welchen Problemen der versicherungsrechtliche Sonderling D&O Versicherung im deutschen Versicherungsrecht behaftet ist. Wenn die Besonderheiten in der Konzeption des Versicherungsschutzes zu einer übermäßigen Benachteiligung der versicherten Personen führen würden, so sind entsprechende Klauseln unwirksam. Eine Versicherung, die in typischerweise entscheidenden Fällen nicht eintreten braucht, wäre wertlos, so dass in derartigen Fällen immer eine Unwirksamerklärung der entsprechenden Klauseln durch die Gerichte zu erwarten ist.

OLG Hamburg, 11 U 313/13, Urteil vom 08.07.2015