Der Fall von Deutschlands größtem Unternehmen der fleischverarbeitenden Industrie ging bereits vor einigen Monaten durch alle Medien, dennoch lohnt eine nähere juristische Betrachtung aus gesellschaftsrechtlicher Sicht.

Operative Gesellschaft und Holding

Die rechtliche Grundkonstellation sei hier an dieser Stelle zwecks Verständlichkeit etwas vereinfacht dargestellt. Das Gesamtunternehmen wird im wesentlichen durch eine operative GmbH & Co. KG geführt. Über diese operative GmbH & Co. KG jedoch wölbt sich als beherrschende Gesellschaft eine Holding-GmbH & Co. KG, die bei den Betroffenen offenbar ein wenig aus dem Blickfeld geraten war.

Onkel, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender eines der populärsten Fußballklubs im Revier, und Neffe besitzen je 50 % der Anteile an der Holdinggesellschaft und direkt oder indirekt auch ca. 50 % an der operativen Gesellschaft. Wirtschaftlich waren also beide, und das ist unstrittig, in gleicher Weise an dem Gesamtunternehmen beteiligt.

Doppeltes Stimmrecht zwecks operativer Handlungsfähigkeit

Allerdings war offensichtlich versucht worden, die Entscheidungsprozesse im Unternehmen dadurch zur vereinfachen, dass dem Onkel bezüglich der Gesellschafterbeschlüsse ein doppeltes Stimmrecht eingeräumt wurde. So sollten ständige Pattsituationen vermieden werden. Grundsätzlich eine praktikable Lösung, wenn man nicht schlicht vergessen hätte, dieses doppeltes Stimmrecht nicht nur für die stets im Alltag präsente operative Gesellschaft, sondern  auch für die Holdinggesellschaft zu vereinbaren.

Als nun der Neffe feststellte, dass der Onkel ja gar nicht so uneingeschränkt das Unternehmen mit eigener Entscheidungsmacht führen konnte, wie dies bisher geschah, da ihm in der Holding eben keine Stimmenmehrheit zur Seite stand, kam es zum Rechtsstreit zwischen beiden Teilhabern.

Vertragliche Auslegung anstelle ordnungsgemäßer Beschlussfassung?

Der Onkel versuchte dem Gericht klarzumachen, dass die entsprechenden Beschlüsse bezüglich des doppelten Stimmrechts ja wohl eindeutig so gemeint gewesen seien, dass sie für das Gesamtunternehmen, und damit auch für die Holding gelten sollten. Eine ausschließliche Regelung für die insoweit abhängige operative Gesellschaft mache schließlich überhaupt keinen Sinn.

Das Oberlandesgericht Hamm gab dem Onkel insoweit Recht, dass die Regelung wohl nicht den ursprünglich angestrebten Zweck erfülle. Beiden rechtlichen Argumentationen des Onkels jedoch, die zu einem von ihm gewünschten Ergebnis führen sollten, schob das Gericht einen Riegel vor.

Gericht bestätigt strenge formale Anforderungen im Gesellschaftsrecht

Auch wenn die Vereinbarung seinerzeit tatsächlich anders gemeint gewesen sei, so fehle es bezüglich der Holding doch an einer entsprechenden Wirksamkeit, da dieser Beschluss bei der Holding teilweise von anderen Beteiligten und beteiligten Gesellschaften hätte mitgetragen werden müssen. Daher lasse sich der vorhandene Beschluss auch nicht als Beschluss ebenfalls für die Holding auslegen. Folgerichtig sei dieser Beschluss bei der Holding auch nicht eingetragen worden und auch nicht eintragungsfähig.

Ebenfalls lasse sich die ausdrücklich nur auf die operative Gesellschaft gerichtete Vereinbarung nicht umdeuten in eine rein vertragliche, also schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Onkel und Neffe, dass man sich im alltäglichen Geschäft stets so verhalten wollte, als sei auch bei der Holding ein entsprechendes doppeltes Stimmrecht eingetragen worden. Das Gericht argumentiert ganz klar, dass die Notwendigkeit, derart wesentliche Änderungen der Satzung formal zu beschließen und ins Handelsregister eintragen zu lassen, nicht durch bloße vertragliche Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern ersetzt werden können.

Der Fall ist ein Lehrstück dafür, wie sehr man bei komplizierteren Konzernstrukturen auf die konkreten gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeiten, und auf korrekte Beschlussfassung zu achten hat.

OLG Hamm, Az. I-8 U 78/14, Urteil vom 09.03.2015

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