Auch ein Alkoholiker kann offensichtlich von seiner Alkoholsucht nichts wissen. Dies geht zumindest aus einem aktuellen Urteil zum Reiseversicherungsrecht hervor.
Dort ging es um einen Versicherungsnehmer einer Reiserücktrittskostenversicherung, der wegen einer Alkoholerkrankung die Reise nicht antreten konnte und sie stornieren musste.
Die Stornierungskosten wollte er nun von seiner Reiserücktrittskostenversicherung erstattet haben. Diese lehnte verständlicherweise zunächst ab.
Das Gericht jedoch kam zu einem anderen Urteil. Wenn eine erkrankte Person ausnahmslos zuverlässig seinem Beruf nachgeht, und niemals durch alkoholbedingte Ausfälle aufgefallen ist, müsse man davon ausgehen, dass eine Alkoholerkrankung nicht bekannt war. Zumindest sei diese Kenntnis von der Alkoholerkrankung dem Versicherungsnehmer in einem solchen Falle nicht nachweisbar. Somit liege bezüglich des Reiserücktritts auch kein Verschulden vor, insbesondere auch kein Verschweigen von besonderen gefahrerhöhenden Umständen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung.
Trotz meiner leicht polemischen Überschrift ist dem Gericht im Grunde genommen zuzustimmen. Denn schließlich verlaufen die Grenzen von gesteigertem Alkoholkonsum am Feierabend, der nach außen hin, insbesondere im Berufsleben, nicht in Erscheinung tritt, und einer krankhaften Sucht fließend. Daher ist es durchaus denkbar, dass derjenige, der jeden Abend zahlreiche Bierchen trinkt, und dann am nächsten Morgen aber wieder topfit im Büro erscheint, zunächst nicht von einer krankhaften Alkoholsucht ausgeht. Dass diese aber trotzdem vorliegen kann, zeigen die heute zugänglichen medizinischen Erkenntnisse.
Da zudem ein Versicherer, der sich auf einen Ausschlussgrund berufen will, diesen beweisen muss, hätte in dem vorliegenden Fall also der Reiseversicherer dem Alkoholiker nachweisen müssen, dass er von seiner Krankheit gewusst hat. Unregelmäßigkeiten im Berufsleben wären ein klarer Beweis dafür gewesen, dass sich der Alkoholiker der Problematik bewusst gewesen wäre. Da jedoch diese Unregelmäßigkeiten nicht vorlagen, gab es zumindest kein zwingendes Indiz dafür, dass die betreffende Person von ihrer Erkrankung wusste.
AG Berlin-Mitte, Az. 16 C 254/12, Urteil vom 13.12.2013