Gerade bei einer Stiftung ist jegliches Handeln von Organen oder Organmitgliedern (Vorstand, Kuratorium) mit äußerster Sensibilität zu betrachten. Das Vermögen der Stiftung ist dem Stiftungszweck entsprechend zu verwenden, so dass jede Ausgabe nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen muss, und die Entscheidungsträger insoweit nur wenig Spielraum haben. Mit dieser Vermögensfürsorgepflicht der Organmitglieder einer Stiftung korrespondiert ein strenges Haftungsgefüge im Falle von Fehlverhalten. Hier ein Interessanter Fall aus dem Stiftungsrecht und Gesellschaftsrecht.

Fall der „Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden-Stiftung“

Der der in der Öffentlichkeit viel beachteten Fall der „Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden-Stiftung“ bot dem Bundesgerichtshof hinreichend Anlass, sich mit den Pflichten und der sich daraus ergebenden Haftung aller Beteiligten in einer Stiftung auseinanderzusetzen.

Der zu Grunde liegende Sachverhalt sei hier nur ganz grob angedeutet. Die kirchliche Stiftung betreibt unter anderem einen großen Bibliotheksbestand. In den Jahren 2001-2008 kam es zu erheblichen Kompetenzüberschreitungen des damaligen Alleinvorstandes in Form von nicht genehmigten Archivankäufen, von zu risikoreichen Vermögensanlagen, und von erheblichen Budgetüberschreitungen. Hierdurch ist der Stiftung ein erheblicher Schaden in Millionenhöhe entstanden.

Entlastung des Vorstands durch das Kuratorium

In der Folgezeit ging es dann darum, wer letztlich für diesen Schaden einzustehen hat. Der Vorstand wurde nämlich bezüglich des wesentlichen Teils seiner Pflichtverletzungen mehrfach durch das Kuratorium – das Aufsichtsorgan einer Stiftung – entlastet. Eine Entlastung jedoch bedeutet nach vordergründigem Verständnis eine Bestätigung, dass der Vorstand seine Aufgaben in dem betreffenden Zeitraum ordnungsgemäß erfüllt hat, und dass insoweit keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

Vermögensfürsorgepflicht des Kuratoriums

Das Kuratorium jedoch darf seinerseits eine Entlastung nur erteilen, wenn auch tatsächlich keine wesentlichen vermögensrelevanten Pflichtverstöße bekannt waren. Insoweit bezieht sich die Entlastung übrigens nur auf dem Kuratorium bekannte Sachverhalte. Erteilt das Kuratorium vorsätzlich eine Entlastung, obwohl es weiß, dass es aufgrund seiner ihm ebenfalls obliegenden Vermögensfürsorgepflicht Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand hätte geltend machen müssen, so machen sich die dem jeweiligen Beschluss zustimmenden Kuratoriumsmitglieder ihrerseits schadenersatzpflichtig. Dies gilt umso mehr, wenn sie sehenden Auges mögliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand verjähren lassen.

Haftung des Nachfolgevorstandes

Wird nun aber bekannt, dass durch die pflichtwidrigen Entlastungsbeschlüsse des Kuratoriums und durch das tatenlose Verstreichenlassen von Verjährungsfristen gegenüber dem Kuratorium Schadensersatzansprüche bestehen könnten, so ist nunmehr wiederum der Vorstand, im Zweifel ein neuer Vorstand, der selbst nicht Ursache der ursprünglichen Pflichtverletzungen war, zuständig.

Unterlässt es nun dieser neue Vorstand seinerseits, rechtzeitig gegenüber den Kuratoriumsmitgliedern Schadensersatzansprüche geltend zu machen, weil diese beispielsweise Verjährungsfristen gegenüber dem alten Vorstand haben verstreichen lassen, so muss wiederum der neue Vorstand in Haftung genommen werden, dies wiederum von den dann amtierenden Kuratoriumsmitgliedern.

Stiftungsrecht: Jahrelanges „Haftungs-Ping-Pong“ zwischen Vorstand und Kuratorium

Auf diese Weise kann es im Laufe der Jahre zu immer wieder verjährenden Schadenersatzansprüchen kommen, wobei aufgrund der Verjährung wiederum das andere Organ der Stiftung in der Pflicht steht. Dieses teilweise so genannte „Haftungs-Ping-Pong“ kann sich über viele Jahre zwischen wechselnden Kuratoriumsbesetzungen und Vorständen hin und her entwickeln, letztlich wohl bis zu 30 Jahre lang, wenn dann spätestens die aufgrund des ursprünglich entstandenen Schadens entstandenen Ansprüche bei jedermann verjähren.

Dieser Fall und die sich daraus ergebenden Erwägungen zeigen, dass in einer Stiftung mit einem Entlastungsbeschluss keineswegs ein Schlussstrich unter möglicherweise zweifelhafte oder zumindest nicht ganz ordnungsgemäße Geschäfte gezogen werden kann. Das Stiftungsvermögen steht angesichts der wechselseitigen Haftung von Vorstand und Kuratorium über viele Jahre keineswegs schutzlos da. Angesichts der besonderen Sensibilität des zu betreuenden Vermögens hat dieses „Haftungs-Ping-Pong“ durchaus seinen positiven Sinn und Zweck.

Vergleichbare Haftungslage im Aktienrecht

Ähnliches gilt im übrigen auch für eine Aktiengesellschaft, bei der sich Vorstand und Aufsichtsrat in vergleichbarer Weise gegenüberstehen, und letztlich dem Schutze des Vermögens der Aktionäre zu dienen haben.

BGH, Az. III ZR 509/13, Urteil vom 20.11.2014

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