Zentrales Thema bei rechtlichen Auseinandersetzungen im Franchiserecht ist immer wieder die so genannte „vorvertragliche Aufklärung“. Der Franchisegeber muss sein gesamtes Franchisesystem, so wie es sich bis zum aktuellen Zeitpunkt hinsichtlich aller Aspekte, insbesondere auch der wirtschaftlichen, entwickelt hat, dem Franchise-Interessenten objektiv und richtig darstellen.

In einem nun vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob den Franchisegeber solche umfassenden und streng umrissenen Aufklärungspflichten auch treffen, bevor der Franchisenehmer eine Reservierungsvereinbarung für einen bestimmten Standort unterzeichnet.

Anfechtung wegen der Reservierungsvereinbarung wegen fehlender vorvertraglicher Aufklärung?

Im konkreten Fall ließ sich der Franchisenehmer angesichts seines Interesses für das betreffende Franchisesystem die von ihm gewünschte Region reservieren, damit ihm nicht ein anderer Interessent das Gebiet quasi wegschnappt, bevor er den Vertrag unterzeichnet. Solche Reservierungsvereinbarungen sind in der gesamten Franchise-Wirtschaft üblich. Auch für den Abschluss einer solchen Reservierungsvereinbarung werden in der Regel konkrete Gebühren als Gegenleistung fällig. In diesem Fall entschied sich der Interessent nachträglich anders, und unterschrieb keinen Franchisevertrag. Er erklärte die Anfechtung der Reservierungsvereinbarung mit der Begründung, er sei vor Abschluss nicht ausreichend über das Franchisesystem im Sinne der vorvertraglichen Aufklärungspflichten unterrichtet worden.

Reservierungsvereinbarung als eigenständiger Vertrag

Sowohl das Landgericht, als auch das Oberlandesgericht haben die Klage auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass es sich bei der Reservierungsvereinbarung um ein eigenständiges Vertragsverhältnis handele, und nicht quasi um einen den Franchisenehmer schon endgültig an das System bindenden Vorvertrag. Demzufolge seien an etwaige Aufklärungspflichten auch deutlich geringerer Ansprüche zu stellen.

Urteil als Freibrief für alle Franchisegeber zur Unterlassung der Aufklärung?

Die Franchise-Wirtschaft frohlockt und verkündet nun weithin, dass jetzt bezüglich solcher Reservierungsvereinbarungen Rechtsklarheit bestehe. Es müsse vor deren Abschluss also nicht aufgeklärt werden.

Dieser Schluss jedoch greift deutlich zu kurz. Die Verpflichtung zur vorvertraglichen Aufklärung hat gerade den Sinn, den zukünftigen Franchisenehmer davor zu schützen, eine weitreichende Entscheidung zu treffen, ohne die wesentlichen Eckdaten über das betreffende System zu kennen. Daher wird es auch im Falle einer Reservierungsvereinbarung, eines Vorvertrages, oder eines LOI (Letter of Intent) darauf ankommen, wie sehr der jeweilige Interessent mit Unterzeichnung der betreffenden Vereinbarung bereits eine rechtliche oder zumindest faktische Verpflichtung eingeht, später auch den Franchisevertrag zu unterzeichnen. Sollte nämlich beispielsweise in einem Vorvertrag die Verpflichtung zum Abschluss des endgültigen Vertrages ausschließlich davon abhängig gemacht werden, dass eine bereits angefragte Kreditzusage auch tatsächlich erteilt wird, so bindet sich der jeweilige Interessent quasi endgültig, da er selbst keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung nehmen kann. Ähnlich verhält es sich, wenn die im Rahmen einer Reservierungsvereinbarung zu zahlenden Gebühren derart hoch sind und fast schon die Höhe der später sowieso zu zahlenden Eintrittsgebühr für das Franchisesystem erreichen, so dass letztlich die psychologische Hemmschwelle, doch keinen Franchisevertrag zu unterschreiben, sehr hoch ist.

Umfang der Aufklärung stets abhängig von der Intensität der Bindung an das System

Stets wird also im Einzelfall zu prüfen sein, wie stark bereits eine Bindung mit der Reservierungsvereinbarung eingegangen wird, und wie sehr bereits Investitionen getätigt werden. Davon wird auch abhängen, in welchem Umfang der Franchisegeber bereits vor Abschluss dieser Vereinbarung umfassend Auskunft über sein System erteilen muss.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist daher grundsätzlich als richtig zu beurteilen, keinesfalls sollte sie jedoch dazu verleiten, diesen Einzelfall zu verallgemeinern.

OLG Frankfurt, Urteil vom Juni 2016

Unser Ziel ist es, Menschen bestmöglich zu helfen. Das ist der Grundsatz für jeden unserer Fälle und die Basis für Erfolg. Kontaktieren Sie uns noch heute.