Private Krankenversicherungsverträge werden häufig mit einer Zusatzversicherung für den Fall einer länger andauernden Krankheit abgeschlossen, insbesondere von Selbstständigen, die dann für jeden Tag ein bestimmtes Krankentagegeld von ihrem Versicherer erhalten.
Aus den Versicherungsbedingungen ergibt sich meist, dass als Krankentagegeld ein bestimmter Prozentsatz – häufig 60 % – des durchschnittlichen Nettoeinkommens der vergangenen zwölf Monate zu zahlen ist.
Diese Klausel kann man einerseits wörtlich verstehen. Dies führt dann dazu, dass von allen Umsätzen des Selbstständigen zunächst sämtliche Betriebsausgaben abgezogen werden, dann auch noch die Einkommensteuer, und dass dann schließlich der verbleibende Restbetrag den Nettoverdienst darstellt. Im Rahmen einer wörtlichen Auslegung der Versicherungsbedingungen müsste man eigentlich zu diesem Ergebnis kommen.
Hiergegen jedoch wehren sich immer wieder Versicherungsnehmer, denn bei einer solchen Auslegung verbleibt dem Selbstständigen letztlich in der Regel überhaupt nichts zum Lebensunterhalt. Denn schließlich müssen die Betriebsausgaben seines Unternehmens auch während seiner Krankheit weiter abgedeckt werden. Von den 60 % des Nettoverdienstes, die er von dem Versicherer erhält, muss der Selbstständige dann zunächst einmal sämtliche Betriebsausgaben decken, und wenn er Glück hat, kommt er überhaupt damit aus. Sinn und Zweck einer Krankentagegeldzusatzversicherung jedoch soll es doch sein – so die betreffende Ansicht – dem erkrankten Versicherungsnehmer auch im Falle der Unmöglichkeit der aktiven Weiterführung seines Betriebes zumindest einen minimalen Betrag zum Leben zu haben.
Dem Bundesgerichtshof liegt jetzt ein Fall vor, der vom Oberlandesgericht Dresden zunächst im Sinne der Versicherungsunternehmen entschieden wurde. Ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts so richtig ist, kann durchaus bezweifelt werden, denn man kann die betreffenden Versicherungsbedingungen durchaus auch anders verstehen, nämlich so, dass nach Begleichung aller Kosten dem Versicherungsnehmer 60 % des Nettoverdienstes verbleiben sollen. Gezahlt werden müsste dann von der Versicherung der anteilige Nettoverdienst zuzüglich der zwingend notwendigen auch während der Krankheit weiterlaufenden Betriebsausgaben. Eine solche Auslegung der Bedingungen entspricht zwar nicht exakten Wortlaut, könnte jedoch durchaus in den Sinn und Zweck der betreffenden Versicherungsart hineingelesen werden.
Wenn eine Klausel jedoch in ihrer Auslegung nicht eindeutig ist, gilt der Grundsatz, dass sie zu Gunsten des Versicherungsnehmers auszulegen ist. Von daher ist keineswegs sicher, ob der Bundesgerichtshof das Urteil im Sinne der Versicherungsbranche bestätigen wird, oder aber die Rechte der Versicherungsnehmer stärken will.
OLG Dresden, Az. 7 U 26/13, Urteil vom 27.11.2013